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Re: Agile Methoden im neuen V-Modell (659)
Steinmann, C.
Donnerstag, 6. März 2003 13:24
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Hallo!
Ich will vorwegschicken, dass ich keine praktische Erfahrung mit XP habe.
Ich persönlich kenne auch bislang nur Leute, die XP sagen, wenn sie den
Verzicht auf Anforderungsanalyse, Entwurf und/oder Dokumentation meinen.
Wie auch immer, soweit ich die Idee der XP-Herangehensweise verstanden
habe, sehe ich doch eklatante Widersprüche zu einer Vorgehensweise wie im
V-Modell.
Das V-Modell hat grob gesagt den Anspruch, Methoden, die sich in den
vergangenen Jahren als förderlich für die Qualität des Prozesses und damit
für die Qualität des Produktes erwiesen haben, zum Standard zu machen. Die
Anwendung der Methoden (die je nach Unternehmen und Projekt durchaus
unterschiedlich sein dürfen) wird in einen definierten Prozess gebettet und
damit verbindlich und überprüfbar - auch durch den Auftraggeber.
XP dagegen erklärt (vielleicht etwas überspitzt gesagt) das Scheitern der
Methoden, das Scheitern des "ingenieurmäßigen" Arbeitens zum Programm. Auf
konstruktive Qualitätssicherung durch Anforderungsmanagement, Architektur
und Design wird bewusst verzichtet. Die für mich bislang einzige plausible
Erklärung für dieses Vorgehen ist:
1. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein verbindlicher Prozessstandard
inklusive der Festlegung der Methodenanwendung nicht zu einer Verbesserung
in der Projektarbeit und den Projektergebnissen geführt hat. Wie auch immer
man dies messen will (Fehlerrate, Termintreue, Produktivität,
Wirtschaftlichkeit,...).
2. Im Projekt gibt es, wenn man 1. akzeptiert, immer Schleifen, in denen
sich zwei Entwickler an ein Modul hängen müssen um es zügig dahin zu
bringen, dass es tut, was es soll. Die Anwesenheit eines Kollegen aus dem
Anwendungsbereich hilft in dieser Phase enorm. Dokumentation und andere
begleitende Aktivitäten helfen in dieser Phase nicht mehr.
3. Nach 1. und 2. ist mit XP die logische Folge, dass ich doch am besten
gleich dort beginne, wo ich am Ende sowieso sein werde.
Dies mit dem V-Modell in Einklang bringen zu wollen ist aus meiner Sicht
absurd. Wo ist noch das V-Modell, wenn der Ansatz konstruktiver
Qualitätssicherung entfernt wird?
Die interessante Fragestellung ist doch aber die, wo die Ursachen für das
Aufkommen der ganzen Diskussion um XP liegen!
Worüber diskutieren wir eigentlich, wenn wir über XP und V-Modell sprechen?
Nur ein paar Vorschläge zu den vielleicht eigentlichen Fragen:
1. Sind Vorgehensmodelle wirtschaftlich? Oder für welche
Unternehmen/Markt/Anwendungsbereich rechnet sich die Anwendung eines
Vorgehensmodells und rechnet sich Prozessqualität?
2. Haben wir die Softwareentwickler von methodischem Arbeiten und
Vorgehensmodellen jemals überzeugen können? Wie gross ist der Anteil der
Projekte, die eine Arbeit nach V-Modell nur für die Außerdarstellung
gewährleisten. Wie gross ist der Anteil der Module für die es tatsächlich
einen SW-Entwurf gibt?
3. Kann ein Vorgehensmodell die Anwendung von Methoden in der Praxis
tatsächlich sicherstellen? Wie gross ist der Anteil der Projekte, in denen
es auffalllen würde , wenn ein Entwickler für jedes Modul den selben
SW-Entwurf mit verändertem Deckblatt abgibt?
4. Vertrauen die Entscheidungsträger in der betrieblichen
Anwendungsentwicklung überhaupt noch auf die Methoden des
Software-Engineering?
5. ...
Gruß
Christian Steinmann
-----------------------------------------
Dr. Christian Steinmann
GIS GmbH
Abteilungsleiter Systemmanagement
Friedrich-Ebert-Anlage 2-14
60325 Frankfurt am Main
Tel: 069 / 75690-205
E-Mail: Christian.Steinmann@GIS-online.de
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