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Re: Vorteile für die SW-Industrie (372)
Steinmann, C.
Tuesday, 22. June 1999 14:32
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Hallo Herr Maucher!
Sie stellen sehr interessante Fragen, mit denen ich mich auch seit ein paar Wochen
beschäftige.
Ich stelle hier mal fünf Thesen auf, die die Diskussion vielleicht weiteranfachen:
1. Ein verbindlicher Prozeßstandards wie das V-Modell widerspricht modernen
Managementmethoden, ist geradezu das Gegenteil moderner Mitarbeiterführung.
Qualitätsbewußtsein ergibt sich aus Qualitätsverantwortung. Den Mitarbeitern die
Verantwortung für ihr Tun zu geben, ist der Kern modernen Managements. Verantwortung
setzt Kompetenzen und Freiräume voraus. Ein Prozeßstandard nimmt dem
Softwareentwickler die Verantwortung für sein Tun ab, weil er keine Kompetenzen mehr
besitzt. Was er zu tun hat, steht im Prozeßstandard.
2. Ein Prozeßstandard wirkt demotivierend.
Gute Mitarbeiter werden demotiviert, denn die Message ist: Ihr seid nicht in der Lage,
selbst zu entscheiden, haltet Euch bitte an den Standard. Zudem ist der Sinn von
Methodenstandards fraglich, denn so groß und überschaubar ist die Methodenvielfalt
nicht. Wieso soll nicht jeder Mitarbeiter seine Methode wählen dürfen?
3. Ein Prozeßstandard hemmt die Kreativität der Softwareentwickler.
Das V-Modell ist wie andere stark auf die eher handwerklichen Aufgaben der
Softwareentwicklung konzentriert. Durch Dokumentation und durch standardkonformes
Arbeiten wird aber noch nichts getan. Vor einem müssen Autoren eines Prozeßstandards
wirklich Angst haben, nämlich davor, daß sich alle genau nach dem Standard richten.
Dienst nach Vorschrift darf es in der Softwareentwicklung nicht geben.
4. Zum Standard kann nur erklärt werden, was schon Standard ist.
Änderungen im Softwareentwicklungsprozeß bedingen Änderungen der Kultur. Ohne den
nötigen Unterbau siegt die etablierte Kultur über jede Änderung. Zunächst müssen alle
einzelnen Schritte in einem Unternehmen etabliert werden, ehe ein Prozeßstandard
erlassen werden kann. In diesem Zusammenhang fällt mir kein vernünftiger Grund dafür ein,
daß ein Unternehmen einen bestehenden Standard durch das V-Modell ersetzen sollte.
5. Ein Prozeßstandard wirkt in manchen Unternehmen kontraproduktiv.
Ein Prozeßstandard hilft Unternehmen, deren Wettbewerbsposition durch Kostenvorteile
zu sichern ist. Diese Unternehmen brauchen einen stabilen Prozeß. In Unternehmen, die
ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Anpassungsfähigkeit und Innovation sichern, und die
in Projekten, die neusten Technologien einsetzen, wäre ein stabiler Prozeß eher ein
Hemmnis. Zudem: Großen Projekten hilft ein Standard als Steuerungsinstrument. Kleine
Projekte brauchen dieses zusätzliche Steuerungsinstrument nicht.
Zu den Thesen verweise ich auf jedes beliebige Managementlehrbuch jüngeren Datums,
auf DeMarcos "Wien wartet auf Dich!" auf Veröffentlichungen zum CMM, beispielsweise
Yourdon oder Wallmüller, und auf aktuelle Artikel im Informatik Spektrum und in der
Wirtschaftsinformatik.
Sicherlich sind diese Thesen teilweise etwas schwarzweiß gemalt. Dafür sind es Thesen.
Wichtig ist: Die Unterwerfung des Softwareentwicklungsprozesses eines Unternehmens
unter einen Standard sollte, wenn dies nicht vom Auftraggeber erzwungen wird, gut
überlegt werden.
Dadurch wird das V-Modell nicht sinnlos. Im Gegenteil. Einerseits verschafft es dem
Auftraggeber notwendigen Einblick und Einfluß. Und dann kann es als Beschreibung eines
optimalen Prozesses sowohl zur Schwachstellenanalyse als auch zur Leitlinie eines
kontinuierlichen Verbesserungsprozesses genutzt werden.
Ich bin sehr gespannt auf Reaktionen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Steinmann
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Dr. Christian Steinmann
GIS GmbH
Qualitätsmanagement
Friedrich-Ebert-Anlage 2-14
60325 Frankfurt am Main
Tel: 069 / 75690-205
E-Mail: Christian.Steinmann@GIS-online.de
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