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SC.4 Einsatz von Fertigprodukten |
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SC.4 Use of Off-the-Shelf Products
Die Einbindung von Fertigprodukten (verfügbare, für das Projekt passende Funktionseinheiten) in ein System basiert auf der Idee, Entwicklungsaufwand durch Nutzung bereits verfügbarer Bausteine (SW und HW) zu reduzieren.
Fertigprodukte können unterschiedlicher Herkunft sein:
- Kommerzielle Fertigprodukte werden auf dem Markt angeboten. Der Quellcode steht im Normalfall nicht zur Verfügung. Sie werden in Lizenz erworben.
- Fertigprodukte liegen im eigenen Umfeld vor (z. B. Industrie, Behörde, befreundete Organisationen). Der Quellcode steht hier in der Regel zur Verfügung.
Sie können auf allen Ebenen der Erzeugnisstruktur des V-Modells eingesetzt werden, sofern sie die zuvor festgelegten Anforderungen erfüllen.
Der Einsatz von Fertigprodukten im Rahmen einer inkrementellen Entwicklung ist in Abbildung SZ.4 illustriert.
Vorbemerkungen:
- Grundlage der nachfolgenden Beschreibungen ist das Szenario zur inkrementellen Systementwicklung.
- Die Ergänzungen zum Einsatz von Fertigprodukten sind kursiv dargestellt.
Abbildung SZ.4: Ablauf der SE-Aktivitäten bei einem Einsatz von Fertigprodukten
Zeitpunkt T 0 - Start
Initialisierung des Projekts und Beginn der inhaltlichen Arbeiten gemäß Submodell SE.
Zeitpunkt T 1 - Prüfung auf einsetzbare Fertigprodukte
Als Ergebnis von Aktivität SE1.2 - Anwendungssystem beschreiben liegt eine grobe Systembeschreibung vor, die den Kern und den Gesamthorizont für die Funktionalität des Systems beschreibt.
Für einige der in Aktivität SE1.5 - System fachlich strukturieren identifizierten Bereiche (erste Ausbaustufe) sind die fachlichen Anforderungen zum Teil vollständig (Bereich 1), zum Teil unvollständig (Bereich 2) erstellt.
Die Ergebnisse der Aktivitäten SE 1.2 und SE 1.5 bilden zusammen die Anwenderforderungen, die in einer ersten Version vorliegen (Anwenderforderungen Version 1).
Die Anwenderforderungen müssen so detailliert sein, daß folgende Ziele erreicht werden:
- Alle relevanten fachlichen Bereiche müssen möglichst benannt und in ihrem Funktionsumfang gegeneinander abgegrenzt werden.(1)
- Das Zusammenspiel der Bereiche muß für die Projektbeteiligten klar dargestellt sein.
- Es muß klar sein, in welchen (bereichsspezifischen) Stufen das System aufwachsen soll und welche Gesamtfunktionalität im Endausbau abgedeckt werden soll. Dazu müssen Meilensteine (gegebenenfalls als Baseline mit Zeitpunkt und Funktionsumfang) angegeben werden.
Als Ergebnis von Aktivität SE2.1 - System technisch entwerfen sind die Bereiche der ersten Ausbaustufe in ihrer technischen Umsetzung (in der Systemarchitektur und den Technischen Anforderungen) beschrieben.
Die einzelnen Bereiche werden soweit detailliert und ausgearbeitet, wie es für die erste produktive Systemversion notwendig ist. In späteren Stufen können die einzelnen Bereiche verfeinert und um neue ergänzt werden.
Die im Rahmen der Realisierbarkeitsuntersuchung durchgeführte Marktsichtung ergibt, daß Teile der Anwenderforderungen durch kommerziell verfügbare Produkte abgedeckt werden können. Die Bewertung der in Frage kommenden Fertigprodukte (in Aktivität PM2 - Vergabe/Beschaffung) ergibt jedoch, daß kein Fertigprodukt alle definierten Anwenderforderungen erfüllt. Im Rahmen einer Durchführungsentscheidung (Aktivität PM6 - Durchführungsentscheidung) wird die Durchführung eines Forderungscontrolling beschlossen.
Im Forderungscontrolling werden Vorschläge für eine Modifikation/Reduzierung der Anforderungen erarbeitet. Die Ergebnisse des Forderungscontrolling werden in die Anwenderforderungen eingearbeitet (Anwenderforderungen Version 2). Gegebenenfalls ist auch eine Modifikation der Systemarchitektur erforderlich. Die Anwenderforderungen bilden die Basis für den in PM zu erstellenden Kriterienkatalog zur Auswahl geeigneter Fertigprodukte.
Zeitpunkt T 2 - Integration der Fertigprodukte
Zum Zeitpunkt T 2 sind die von PM beschafften Fertigprodukte zur ersten Ausbaustufe integriert. Erforderliche Konfektionierungsarbeiten sind durchgeführt.
Nach Abschluß der Integration wird die erste Ausbaustufe in die Nutzung übergeleitet.
Zeitpunkt T 3 bis T N-1 - Weitere Ausbaustufen
Zum Zeitpunkt T 3 liegt als Ergebnis der wiederholten Durchführung von Aktivität SE1.2 - Anwendungssystem beschreiben eine verfeinerte Version der groben Systembeschreibung vor. Die Verfeinerungen bewegen sich im Normalfall im Rahmen des Gesamthorizonts, der bereits zum Zeitpunkt T 1 definiert wurde. Sie stellen eine Präzisierung der Anforderungen dar. Es kann durch solche Verfeinerungen jedoch auch zu neuen Bereichen kommen
Für die Bestandteile der zweiten Ausbaustufe werden die fachlichen Anforderungen erarbeitet. Dabei können bisher nicht berücksichtigte Bereiche neu beschrieben und bereits vorhandene verfeinert werden. Erste Rückmeldungen aus der Nutzung der ersten Ausbaustufe werden berücksichtigt.
Die damit in einer dritten Version vorliegenden Anwenderforderungen bilden den Ausgangspunkt für die Verfeinerung und Ergänzung der Systemarchitektur und der Technischen Anforderungen
In der zweiten Ausbaustufe werden Anforderungen umgesetzt, die nicht durch Fertigprodukte abgedeckt werden können.
Der Realisierer, beispielsweise ein Auftragnehmer, erweitert die bereits produktive Systemversion 1 um die neu hinzugekommenen Teile und integriert sie im Rahmen der Integrationsschritte. Eventuell sind im Rahmen der Integrationsarbeiten auch Änderungen an der Systemversion 1 durchzuführen. Nach Abschluß der Realisierung wird auch die zweite Ausbaustufe in die Nutzung übergeleitet.
Diese Arbeitsschritte werden für jedes Inkrement wiederholt.
Zeitpunkt T N - Abschluß der Systementwicklung
Zum Zeitpunkt T N liegen Anwenderforderungen, Systemarchitektur und Technischen Anforderungen vollständig und konsistent vor. Nach Realisierung und Überleitung der letzten Ausbaustufe in die Nutzung befindet sich das komplette System in der Nutzung
Die Beschaffung der Fertigprodukte erfolgt im Submodell PM (Aktivität PM2 - Vergabe/Beschaffung). Zwecks Konkurrenzierung sind Angebote unterschiedlicher Anbieter einzuholen und zu bewerten. Im Rahmen der Angebotsbewertung sind erforderliche Konfektionierungsmaßnahmen zu skizzieren.
Sofern kein angebotenes Fertigprodukt alle definierten Auswahlkriterien erfüllt, wird im Rahmen einer Durchführungsentscheidung (Aktivität PM6 - Durchführungsentscheidung) über die Notwendigkeit eines Forderungscontrolling entschieden.
Meeting the
Die Erfüllung der von einem Fertigprodukt geforderten Eigenschaften wird im Rahmen der Bewertung der Angebote (Aktivität PM2 - Vergabe/Beschaffung) geprüft und bewertet. Eine explizite Prüfung der Fertigprodukte im Rahmen des Submodells QS ist deshalb nicht erforderlich.
Durchgeführte Konfektionierungsmaßnahmen sind gemäß den Regelungen des Submodells QS zu prüfen, ebenso wie die im Rahmen von Aktivität PM2 erstellten Ausschreibungsunterlagen.
Jedes Fertigprodukt ist hinsichtlich der Konfigurationsadministration ebenso wie jedes eigenentwickelte Produkt zu behandeln. Bezüglich des Änderungsmanagements ist anzumerken, daß die Weiterentwicklung vom Anbieter der Fertigprodukte beeinflußt wird. Modifikationen der Anwenderforderungen haben im Normalfall keinen Einfluß auf die Weiterentwicklung des Fertigprodukts.
Die folgende Auflistung von Vor- und Nachteilen und die Nennung der wichtigsten Voraussetzungen unterstützt die Entscheidungsfindung bezüglich des Einsatzes von Fertigprodukten.
Vorteile:
- Reduzierung des Entwicklungsrisikos,
- Minimierung der Entwicklungszeiten,
- Erhöhung der Produktivität der Softwareentwicklung,
- Reduzierung der Lebenszykluskosten,
- Einsatz bereits ausgereifter Produkte, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen,
- Minimierung des Pflege-/Änderungsaufwands,
- schnelle Realisierung von Prototypen.
Nachteile:
- Fehlende Einflußnahme auf die Weiterentwicklung des Fertigprodukts (Abhängigkeit vom Lieferanten),(2)
- oftmals keine vollständige Erfüllung aller definierten Anforderungen durch ein Fertigprodukt,
- Nutzung der Fertigprodukte in Lizenz,
- Defizite bezüglich Sicherheit und Zuverlässigkeit,
- häufig Änderung der Organisation erforderlich.
Voraussetzungen:
Die genannten Vor- und Nachteile sind jeweils im konkreten Einzelfall zu überprüfen und zu bewerten. Sie dürfen nicht pauschal als gültig angesehen werden. Beispielsweise kann die aufgrund eines Fertigprodukteinsatzes erforderliche Änderung der Organisation positive Auswirkungen haben und die Effektivität der Organisation steigern.
Hinweise:
(1) Es ist möglich, daß neue fachliche Bereiche im Laufe der Entwicklung hinzugefügt werden. Dies kann aus vertragsrechtlichen Gründen problematisch sein.
(2) Die Produktweiterentwicklung wird in der Hauptsache vom Markt getrieben, nicht von den Anwenderforderungen.
Mail 0344 - Re: Einsatz von COTS-Produkten
Mail 0342 - Einsatz von COTS-Produkten
Mail 0295 - Re: Szenario "Einbinden von Fertigprodukten"